08.09.2024 – 26.01.2025

Kuratiert von
James Lingwood

Koordination und Entwicklung des Projekts
Ludovica Introini

Einführung

Luigi Ghirri begann sich 1970, im Alter von 27 Jahren, ernsthaft mit der Fotografie zu beschäftigen. In den zehn Jahren zuvor hatte er als Geometer in der italienischen Provinz Reggio Emilia gearbeitet. Im Laufe der folgenden zwei Jahrzehnte, bis zu seinem frühen Tod, schuf er ein Werk, das in Europa in den 1970er und 1980er Jahren einzigartig dasteht: Seine Arbeit ist eine tiefgründige, bisweilen spielerische Reflexion über das Medium der Fotografie, die Welt der Bilder und die wichtige Rolle, die sie bei der Gestaltung moderner Lebensstile und Identitäten spielten.

Ghirri machte seine Aufnahmen auf Reisen durch Italien und gelegentlich in die Schweiz, nach Frankreich und in die Niederlande. Von Anfang an entschied er sich für die Farbfotografie und benutzte den weit verbreiteten Kodachrome Film, weil „die wirkliche Welt farbig ist und weil man den Farbfilm erfunden hat“. Wie Millionen von Menschen, die mit einer Kamera in den Urlaub fuhren, brachte Ghirri seine Filmrollen zu einem ganz gewöhnlichen Labor zur Entwicklung. Einige Tage später holte er die Negative ab und wählte einige zum Vergrössern aus.

Neben der Entscheidung, ausschliesslich in Farbe zu fotografieren, war weiterhin entscheidende, dass Ghirri seine Aufnahmen nicht als Einzelbilder, sondern als Gruppen und Serien konzipierte. Einige dieser Gruppen (die er auch „Arbeiten“ nannte) waren offen, andere enger rund um ein Thema oder einen Ort organisiert. Während seiner ganzen Karriere betrachtete er Fotografie als eine „Reise durch Bilder“. Sei es auf den Seiten eines Buches oder an den Wänden einer Galerie, sollte die Serie eine gesteigerte Wirkung auf den Betrachter ausüben.

Ghirri beschrieb seine Arbeit als „ein grosses Abenteuer in der Welt des Denkens und Sehens, […] eine endlose Reise durch das Grosse und das Kleine, durch das Reich der Illusionen und des Scheins, ein labyrinthischer Ort der Vielfalt und der Simulation“. Dieses Abenteuer fand zu einer Zeit statt, da das Reisen in grossen Teilen Europas weit verbreitet und die Kamera zu einem unverzichtbaren Bestandteil des Tourismus geworden war.

 

„Wenn ich reise, mache ich zwei Arten von Fotos“, schrieb er, „jene typischen Aufnahmen, die alle machen, und die mich letztlich kaum interessieren, und dann die anderen, jene, die mir wirklich etwas bedeuten und die einzigen, die ich wirklich als ‘meine eigenen’ betrachte“.

Ghirri ist auch kein Reisefotograf im herkömmlichen Sinn, sondern ein Künstler, der genau hinsah und gründlich über die Rolle von Bildern nachgedachte, um ein unverwechselbares Werk über die Vorstellung, das Bild und die Erfahrung des Reisens in Europa seiner Zeit zu schaffen.

Landschaften aus Karton

In den frühen 1970er Jahren unternahm Ghirri an den Wochenenden häufig kurze Ausflüge von seinem Wohnort in Modena aus, um die sich verändernde urbane Umgebung zu erkunden, und reiste manchmal weiter in die Städte und Ortschaften der Emilia Romagna, Norditaliens und der Schweiz.

Er fühlte sich von „gefundenen“ Bildern in der alltäglichen Umgebung angezogen: Plakate, Reklametafeln, Fotos und Postkarten mit attraktiven Menschen, Orten und Erfahrungen. „Die Wirklichkeit wird in eine gewaltige Fotografie verwandelt, und die Fotomontage existiert bereits: Man nennt sie die reale Welt“, schrieb er.

1973 fasste er viele dieser Fotografien in einer offenen Serie zusammen, die er Paesaggi di cartone nannte (und die er später zu einem umfassenderen Projekt mit dem Titel Kodachrome erweiterte). Indem er das gedruckte Bild in die städtische Landschaft eingebettet darstellte, wollte er dazu anregen, nachzudenken über „die Kluft zwischen dem, was wir sind, und dem Bild von dem, was wir sein sollten“.

Neben diesem Interesse an der Vielfältigkeit und den Simulationen der Bildwelt, war er fasziniert von Objekten und Bildern wie Landkarten, Erinnerungsstücken, Globen und Sternen, die das Reisen symbolisieren.

Berge, Seen, Sonne und Meer

Ab den frühen 1970er Jahren unternahm Ghirri kurze Reisen zu Urlaubsorten in der Nähe seiner Heimatstadt Modena, wie Rimini oder Marina di Ravenna an der Adriaküste. An den Wochenenden fuhr er zu den Seen und Bergen der Dolomiten und in die Schweizer Alpen, sowie zu Orten auf der „Touristenkarte“, darunter Paris, Versailles, Venedig, Amsterdam, Rom und später Neapel und Capri.

Dabei beobachtete er ständig, wie die Allgegenwart der Fotografie und des fotografischen Bildes im Alltag die menschliche Erfahrung veränderte, und befasste sich mit der Frage, wie sie die Art und Weise, wie Menschen die von ihnen besuchten Orte sahen, beeinflusste und prägte.

Eine Serie aus den 1970er Jahren, Diaframma 11, 1/125, luce naturale, von denen einige in diesem Ausstellungsteil gezeigt werden, schliesst auch Fotos von Menschen im Urlaub oder in ihrer Freizeit ein: Wie sie am Strand spielen, in den Bergen wandern, sich in einem Café entspannen, zur Vorbereitung ihres Ausflugs die Karte studieren oder für ein Foto posieren, wenn sie am Ziel angelangt sind. Oft sind die Menschen von hinten oder aus einer gewissen Distanz zu sehen.

Viele der Fotografien in Vedute wurden ebenfalls an Urlaubsorten aufgenommen, insbesondere am Meer, doch in dieser Serie fehlt die menschliche Figur weitgehend. Seine Ausbildung zum Geometer prägte die präzise Art und Weise, wie Ghirri einen Bildausschnitt wählte und dabei alles Unwesentliche wegliess. Das Motiv oder die Aussicht wird auf direkte Weise abgebildet, mit klaren Linien und ohne jede Dramatik.

Reisen zu Hause

Ghirri machte die meisten Fotografien auf seinen Reisen. Mit zwei bemerkenswerten Ausnahmen, Atlante und Identikit, Werke, die er zu Hause konzipierte und ausführte.

Ghirri war fasziniert von Landkarten und ihrer Fähigkeit, die Vorstellungskraft anzuregen. 1973 verwendete er eine Makrolinse, um einzelne Seiten seines Atlas heranzuzoomen und Details von Wüsten, Ozeanen, Gebirgszügen und Archipelen so nah zu fotografieren, dass sie aus der konventionellen Kartografie herausgelöst und in die Welt der Fantasie verlagert wurden.

Mit Atlante wollte Ghirri „eine Reise an einen Ort unternehmen, der die Reise selbst auslöscht – denn im Atlas sind bereits alle möglichen Reisen beschrieben, alle Reiserouten bereits vorgezeichnet, […] die einzige Reise, die noch möglich scheint, ist diejenige, die wir in Zeichen und Bildern finden: in der Auslöschung der direkten Erfahrung. […] Und so ist die Reise im Bild, im Buch angesiedelt“.

1976 fotografierte er für die Serie Identikit die Bücher, Schallplatten, Landkarten, Postkarten und Souvenirs in seiner Wohnung. Der Titel des Werks bezieht sich auf eine mit Hilfe verschiedener Quellen zusammengesetzte Abbildung eines Gesichts. „Für dieses Selbstporträt“, schrieb Ghirri später, „verwendete ich Gegenstände (Bücher, Schallplatten usw.), die von meinen Interessen, meinem Wissen und meiner Vorstellungskraft zeugen, von der Zeit, die ich mit Lesen, Musikhören und dem Planen von Reisen verbringe“.

„Ein dreidimensionaler Atlas“

Der Freizeitpark Italia in Miniatura in Rimini bildete das Thema für ein Werk mit dem Titel In scala. Ghirri machte 1977–1978 eine umfangreiche Fotoserie in diesem Park und kehrte 1985 erneut dorthin zurück.

Wie jeder Besucher berauschte sich Ghirri an der Scheinwelt von Italia in Miniatura, in der man grösser sein konnte als ein Monument oder ein Berg, und wo die Geschichte und die Geografie so weit reduziert wurden, dass man die massstabgetreuen Modelle der Dolomiten und des Mont Blanc, des Pirelli-Hochhauses in Mailand (1958 fertiggestellt), der Autostrada del Sole (1964 eröffnet), des Petersdoms in Rom (vier Jahrhunderte zuvor erbaut) und der mittelalterlichen Piazza del Campo in Siena auf einem einzigen Rundgang besuchen konnte.

Ghirri beschrieb den Freizeitpark als einen „dreidimensionalen Atlas“, der viele Ähnlichkeiten mit der Fotografie aufwies. Auf Fotografien werden historische Stätten, Landschaften und Menschen in einem ähnlichen reduzierten Massstab abgebildet, und wenn diese Aufnahmen in Alben, Büchern und Ausstellungen zusammengefasst werden, komprimieren sie Zeit und Raum in ähnlicher Weise.

Reisen in Italien

In den 1980er Jahren bereiste Ghirri fast ganz Italien, vom Aostatal und Triest im Norden bis nach Sizilien im Süden. Auf Einladung des neapolitanischen Fremdenverkehrsamts fotografierte er auf der Insel Capri und in den Museen von Neapel. Der Touring Club Italiano beauftrage ihn, Aufnahmen für einen Reiseführer über die Emilia Romagna zu machen, und im Auftrag des französischen Kulturministeriums fotografierte er Versailles. Auf Anregung seines Freundes, des Fotografen Gianni Leone, reiste er durch Apulien, wobei er kleine Städte und Dörfer an der Küste besuchte und auch das Landesinnere erkundete.

Ausgehend von seinem ständig wachsenden Bildarchiv schuf Ghirri verschiedene Projekte, in denen er die sich verändernden Konturen seiner Heimat dokumentierte. Er war an mehreren Gemeinschaftsprojekten über die italienische Landschaft beteiligt, darunter Viaggio in Italia, eine Ausstellung von 1984, in der seine eigenen Arbeiten neben denen von neunzehn anderen Fotografen gezeigt wurden.

Der Wechsel zu einer Mittelformatkamera im Jahr 1980 brachte mehr Tiefe und Klarheit sowie lebendigere Farben in seine Fotografien, doch er machte seine Aufnahmen weiterhin in der gleichen verhaltenen Art: ruhig und unspektakulär, ohne besondere Effekte. Fotografie war für Ghirri „eine Sprache des Sehens und nicht des Veränderns, Verbergens oder Modifizierens der Realität“.

Gegen Ende der 1980er Jahre realisierte er drei weitere „Reisen durch Bilder“: 1989 Paesaggio italiano und Il profilo delle nuvole. Immagini di un paesaggio italiano, und 1991 ein Buchprojekt, Viaggio dentro un antico labirinto, das unveröffentlicht blieb. In der Einleitung zu Paesaggio italiano betonte Ghirri, dass seine Reisen durch Bilder keine „präzise Kartografie oder Himmelsrichtungen“ aufwiesen, und dass es ihm eher um „die Wahrnehmung eines Ortes als um dessen Katalogisierung oder Beschreibung“ gehe. Wie eine gefühlsbestimmte Geografie, in der die Reiserouten nicht markiert und präzise sind, sondern den seltsamen, verschlungenen Wegen des Sehens folgen“.

Biografische Angaben

1943
Ghirri wird in Scandiano in der Nähe von Reggio Emilia, in der Provinz Emilia Romagna, geboren. 

1962
Diplom als Geometer.

1968–1970
Ausflüge nach Bern, Luzern, Paris, Amsterdam und in die Bretagne.

1969–1970
Er begegnet den Konzeptkünstlern Franco Guerzoni, Carlo Cremaschi, Giuliano della Casa und Claudio Parmiggiani in Modena. Es beginnt eine intensive und fruchtbare Zusammenarbeit auf künstlerischer und publizistischer Ebene.

1970
Aufnahmen für seine ersten Serien, Fotografie del periodo iniziale und Paesaggi di cartone. Geburt der Tochter Ilaria.

1972
Erste Einzelausstellung „Luigi Ghirri: Fotografie 1970–1971“, im Sette Arti Club im Canalgrande Hotel in Modena, begleitet von einem kleinen Katalog mit einem Essay von Franco Vaccari, in dem er einige grundlegende Überlegungen zur Rolle der Fotografie in der zeitgenössischen Kunst anstellt. Erste Fotografien für die Serien Colazione sull’erba und Catalogo. Letztere, inspiriert von der Stadt Modena und der unmittelbaren Umgebung, ist das erste Beispiel für die Recherchen, die ihn in den 1970er Jahren beschäftigen werden.

1973
Er beschliesst, seine Arbeit als Geometer aufzugeben; er realisiert die Projekte Km. 0,250 – eine fotografische Verkleinerung (im Massstab 1:10) der mit Werbeplakaten bedeckten Umfassungsmauer der Rennstrecke von Modena – und Atlante, eine imaginäre Reise entlang der Bücherwände seines Hauses.

1974
Er macht für die Serie ‘∞’ Infinito 365 Fotografien des Himmels, ein Jahr lang jeden Tag eine Aufnahme. Die Fotografien, die am Ende des Jahres in einer dichten, nicht chronologisch geordneten Textur montiert werden, bieten die Möglichkeit, unendlich oft neu zusammengesetzt zu werden. Er lernt Paola Borgonzoni kennen, seine zukünftige Lebens- und Arbeitsgefährtin.

1975
Colazione sull’erba wird in einer Einzelausstellung in der Galleria civica in Modena gezeigt und Atlante wird in der Galleria Documenta in Turin ausgestellt. Seine Werke sind in der Ausstellung „Kunst als Fotografie – Fotografie als Kunst“ in Kassel, Deutschland, vertreten. Er wird von „Time-Life“ zur „Entdeckung“ des Jahres gewählt und veröffentlichte ein umfangreiches Portfolio im renommierten Jahrbuch Photography Year.

1976
Es beginnt eine lange und ereignisreiche Zeit, sowohl im Hinblick auf das Studium und die Realisierung neuer Werke als auch auf die Entwicklung der Ausstellungstätigkeit. Aufnahmen für die Serien Vedute und Italia ailati. Einzelausstellungen in Graz, in Mailand und in Genf. „Cancellature“, eine wichtige Ausstellung in der Galleria Rondanini in Rom, umfasst mehr als 200 Fotografien. Gemeinsam mit Paola Borgonzoni bezieht er eine Wohnung in der Altstadt von Modena, wo er die Serie Identikit beginnt – ein intimes Tagebuch jener Tage und dieses Ortes –, in dem er bei natürlichem Licht seine eigenen Gegenstände, Schallplatten und Bücher aus seiner Bibliothek fotografiert.

1977
Zusammen mit Paola Borgonzoni und Giovanni Chiaramonte gründet er den Verlag Punto e Virgola, überzeugt von seinem Fotografenfreund Claude Nori, der in Paris die Galerie und den Verlag Contrejour besitzt. Das Verlagsprojekt soll sich auf die italienische Fotokultur konzentrieren. Er beginnt die Serien Still Life, Il Paese dei balocchi und In scala, die einerseits die Fiktionen von Luna-Park, „Wachsfigurenkabinetts“ und des Themenparks Italia in Miniatura in Rimini interpretieren.

1978
Punto e Virgola veröffentlicht Ghirris erstes Fotobuch, Kodachrome, in Frankreich mitveröffentlicht vom Verlag Contrejour, der parallel dazu eine Ausstellung in Paris zeigt. Seine Werke werden auf der Biennale von Venedig 1978 in der Ausstellung „L’immagine provocata“ gezeigt.

1979
Die Universität von Parma präsentiert im Palazzo della Pilotta „Vera Fotografia“, ein ehrgeiziges Werk, das alle bis dahin realisierten Projekte zusammenfasst und von Arturo Carlo Quintavalle und Massimo Mussini kuratiert wird. Der begleitende Katalog enthält ein Vorwort von Quintavalle sowie Texte von Ghirri und Mussini für jeden der vierzehn verschiedenen Bereiche der Ausstellung: Ein grundlegender Wendepunkt für seine Forschungstätigkeit. Zusammen mit Claude Nori kuratiert er die Ausstellung „La fotografia francese. Dalle origini ai giorni nostri“ in der Galleria Rondanini in Rom und in der Galleria civica in Modena.

1980
Er beendet die Serien Still Life und Geografia Immaginaria und beginnt mit einem umfangreichen neuen Projekt, Topographie-Iconographie. Die erste, eher „konzeptuelle“ Periode seiner Forschungen ist vorbei und dieses Werk führt zu einer neuen, expressiven Phase, in der er sich auf die Idee der Fotografie als „Sprache“ konzentriert, um den symbolischen Wert von Orten zu interpretieren. Die Serien Still Life und Topographie-Iconographie werden in New York ausgestellt. „Vera Fotografia“ wird im Palazzo dei Diamanti in Ferrara gezeigt. Er kuratiert die Ausstellung „Robert Doisneau. Tre secondi di eternità“ in der Galleria civica in Modena.

1981
Er verkehrt mit Architekten, Stadtplanern und Philosophen, die von der Notwendigkeit überzeugt sind, eine neue Ikonographie der italienischen Landschaft zu schaffen, die sich zunehmend auf die urbanen öffentlichen Räume konzentriert, die durch eine komplexe Kombination von Tradition und Moderne gekennzeichnet sind. Ghirri wird vom Architekten Vittorio Savi eingeladen, an der Gruppenausstellung „Paesaggio. Immagine e realtà“ in der Galleria d’Arte Moderna in Bologna teilzunehmen, und macht dazu Aufnahmen der „post-urbanen“ Landschaft der Po-Ebene, die er nachträglich in die erweiterte Serie Paesaggio italiano aufnimmt. Die ersten öffentlichen Aufträge bieten Ghirri auch die Möglichkeit, neue Recherchen anzustellen. Im Auftrag des Fremdenverkehrsamtes der Provinz Neapel fotografierte er Neapel im Rahmen einer Werbekampagne zur Erneuerung des Images der Region.

1982
Er beendet Topographie-Iconographie und zeigt die Serie in Einzelausstellungen in Mailand und Paris. Seine Fotografien sind in der grossen Ausstellung „Photographie, 1922–1982“ auf der Photokina in Köln zu sehen, wo er als einer der bedeutendsten Fotografen des 20. Jahrhunderts vorgestellt wird. Er reist erneut nach Süditalien, um auf der Grundlage eines Auftrags der Region Apulien eine Landschaftsaufnahme zu machen. Er zeigt die Serie „Tra albe e tramonti“ in der Galleria Spazio Immagine in Bari.

1983
Seine Fotografien von Capri aus den Jahren 1980 und 1981 werden in Cesare de Setas Buch Capri veröffentlicht.
Für das Forum Stadtpark in Graz organisiert er die Gruppenausstellung „Penisola, una linea della fotografia italiana a colori“. Beim Verlag Fabbri erscheint in der Reihe Grandi Fotografi eine Monografie über seine Arbeit.

1984
Er gibt einen Kurs in Geschichte und Technik der Fotografie an der Universität Parma. Zusammen mit Gianni Leone und Enzo Velati organisiert er „Viaggio in Italia“, eine grosse Gruppenausstellung von Fotografien der italienischen Landschaft, die in der Pinacoteca Provinciale in Bari und später in Reggio Emilia und Genua gezeigt wird. Das Projekt gilt als Meilenstein in der Geschichte der zeitgenössischen italienischen Fotografie und die Ideen, die ihm zugrunde liegen, können als eine Art „Manifest“ der „italienischen Landschaftsschule“ betrachtet werden, einer Forschungsrichtung, die sich später international durchsetzt.

1985
Auf Einladung des französischen Kulturministeriums fotografiert er den Palast und die Gärten von Versailles. Aldo Rossi beauftragt ihn, die Architektur der Region Venetien zu fotografieren. Seine Arbeiten werden von Arturo Carlo Quintavalle für die Abteilung Fotografie der Ausstellung „The European Iceberg: Creativity in Germany and Italy Today“ in der Art Gallery of Ontario, Toronto ausgewählt. Auf dem Symposion über Fotografie VII in Graz zum Thema Europa – Amerika und gegenseitige Einflüsse lernt er Robert Frank und William Eggleston kennen.

1986
Er organisiert die fotografischen Recherchen für die von Giulio Bizzarri und Eleonora Bronzoni kuratierte Ausstellung „Esplorazioni sulla via Emilia: vedute nel paesaggio 1983–1986“, die in Bologna eröffnet wird und anschliessend nach Reggio Emilia und Ferrara wandert. Erste Reise in die Vereinigen Staaten, wo er Boston und New York City besucht.

1987
Teilnahme an der von Vittorio Magnago Lampugnani und Vittorio Savi für die Triennale di Milano kuratierten Gruppenausstellung „Le città immaginate. Un viaggio in Italia. Nove progetti per nove città“. Seine Fotografien werden in einer Monografie über das Werk von Aldo Rossi veröffentlicht, dem er sich sehr verbunden fühlt. Nach dieser ersten Erfahrung wird seine Forschung allmählich von der Welt der architektonischen Kultur geteilt, und zahlreiche Zeitschriften und Monographien veröffentlichen seine Arbeiten.

1988
Er kuratiert die Abteilung Fotografie der internationalen Ausstellung „Le città del mondo e il futuro delle metropoli. Oltre la città, la metropoli“ der Triennale di Milano. Kurator der Ausstellung „Strand, Luzzara ’54. Inediti“ mit Fotografien von Paul Strand, und der Gruppenausstellung „Giardini in Europa“ mit Fotografien von Gärten, darunter auch eigene Aufnahmen.

1989
Er konzipiert das Projekt „Paesaggio italiano“, eine Einzelausstellung, die in Reggio Emilia und Mantua und anschliessend an verschiedenen italienischen Kulturinstituten in Südamerika gezeigt wird. Er entwickelt einen neuen Studiengang für Fotografie und unterrichtet an der Università del Progetto in Reggio Emilia.

1990
Er realisiert die Ausstellung und das Buch Il profilo delle nuvole. Immagini di un paesaggio italiano, in denen er in Zusammenarbeit mit dem Schriftsteller Gianni Celati einen Streifzug durch die Landschaft der Po-Ebene unternimmt. Das als „Künstlerbuch“ konzipierte Werk ist eine Geschichte ohne Protagonisten über die Landschaft der Poebene zwischen Venetien, der Emilia und der Lombardei, in der die fotografierten Orte keine topografische Dislokation respektieren, sondern einmal mehr einem Weg folgen, der ganz in die assoziative Erinnerung eingetaucht ist. Er fotografiert die Ateliers von Giorgio Morandi und Aldo Rossi. Umzug mit Paola Borgonzoni nach Roncocesi, ein Dorf in der Nähe von Reggio Emilia. Geburt ihrer Tochter Adele.

1991
Er wählt für das Buch Atlante metropolitano Arbeiten zeitgenössischer Fotografen aus, darunter auch seine eigenen Fotografien von New York und Boston. Publikation von Viaggio dentro un antico labirinto, einer Interpretation der italienischen Landschaft aufgrund der Geschichte der Kunst und der Literatur. Er beginnt mit der Arbeit an einem Buchprojekt über das Atelier von Morandi.

1992
Luigi Ghirri verstirbt plötzlich am 14. Februar.

Das Haus-Atelier in Roncocesi bewahrt die Erinnerung an ihn durch sein seine reiche Bibliothek und das von Adele Ghirri verwaltete Archivio Eredi di Luigi Ghirri.